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  • Einziehung von Taterträgen im Unternehmens­strafrecht

Einziehung von Taterträgen im Unternehmensstrafrecht

Anknüpfend an unsere Artikelreihe zum Unternehmens- und Unternehmerstrafrecht geht es in diesem Beitrag um die Einziehung von Taterträgen beim Geschäftsführer eines Unternehmens.

Es soll speziell um die Frage gehen, ob Vermögen beim Geschäftsführer eingezogen werden kann, der „zugunsten“ seines Unternehmens rechtswidrig Gelder beschafft oder erspart hat.

Beispielsfälle hierfür wären der Geschäftsführer, der Sozialversicherungsbeiträge von Arbeitnehmern dem Fiskus vorenthält oder wenn der handelnde Geschäftsführer durch betrügerische Handlungen Gelder von Geschäftspartnern für das Unternehmen erhält.

Es handelt sich dabei um ein komplexes Themenfeld, bei dem es im Rahmen von Wirtschaftsstrafverfahren regelmäßig zu Diskussionen kommt. Nicht zuletzt kann die Einziehung von Taterträgen den Verurteilten in vielen Fällen durchaus härter Treffen als die verhängte Strafe selbst.

Was bedeutet die Einziehung Taterträgen im Unternehmensstrafrecht?

Die Einziehung von Taterträgen ist allgemein in den §§ 73 ff. StGB geregelt. Diese Regelungen wurden zuletzt erst im Juli 2017 durch den Gesetzgeber reformiert.

In § 73 Abs. 1 StGB heißt es zunächst schlicht:

(1) Hat der Täter oder Teilnehmer durch eine rechtswidrige Tat oder für sie etwas erlangt, so ordnet das Gericht dessen Einziehung an.

Dies bedeutet, dass alles, was der Täter oder der Teilnehmer aus der Tat „erlangt“ hat, eingezogen wird. Da das Unternehmen als juristisches Konstrukt selbst nur durch seine Organe – also auch den oder die Geschäftsführer – handlungsfähig ist, ist dieses von der Vorschrift nicht umfasst.

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Vielmehr ist hier der § 73b Abs. 1 StGB einschlägig. Hier heißt es:

(1) Die Anordnung der Einziehung nach den §§ 73 und 73a richtet sich gegen einen anderen, der nicht Täter oder Teilnehmer ist, wenn 1. er durch die Tat etwas erlangt hat und der Täter oder Teilnehmer für ihn gehandelt hat, 2. […]

Gegen das Unternehmen kann also aufgrund dieser Vorschrift die sogenannte Dritteinziehungsanordnung ergehen.

Im Zusammenspiel dieser beiden Vorschriften bedeutet dies, dass die Einziehung sowohl bei dem handelnden Täter als auch bei dem begünstigten Unternehmen erfolgen kann.

Doch genau hier wird es kompliziert. Zur Differenzierung und Einordnung, ob nun das Unternehmen oder der Geschäftsführer „etwas erlangt“ hat, bilden sich in der Rechtsprechung anzuwendende Grundsätze heraus.

Werden Taterträge, die auf dem Konto des Unternehmens oder der Gesellschaft eingehen beim Geschäftsführer eingezogen?

Bei wem letztendlich die Einziehung angeordnet wird, hängt davon ab, wem das „erlangte Etwas“ wirtschaftlich einen Vorteil gebracht hat. Wenn nun beispielsweise Gelder von Anlegern auf einem Firmenkonto eingehen, welche zuvor durch einen Geschäftsführer in unlauterer Art und Weise zur Hingabe des Geldes bewegt worden waren, so ist es zunächst einmal naheliegend, dass der finanzielle Vorteil bei dem Unternehmen entstanden ist und hier die Einziehung zu erfolgen hat.

Um dies genauer zu bestimmten, lohnt sich ein Blick in die einschlägige Rechtsprechung. Hieraus lassen sich letztlich anwendbare Grundsätze herausarbeiten.



Die Rechtsprechung knüpft zunächst grundsätzlich an die Verfügungsgewalt an:

“§ 73 Abs. 1 StGB bezweckt die Abschöpfung desjenigen Vermögenswerts, den der Tatbeteiligte durch eine rechtswidrige Tat erlangt hat, also alles, was in irgendeiner Phase des Tatablaufs in seine Verfügungsgewalt übergegangen und ihm so aus der Tat unmittelbar messbar zugeflossen ist.” (BGH, Urt. v. 08.02.2018 – 3 StR 560/17)

Darüber hinaus hat der Bundesgerichtshof für Organe und Vertreter bereits in einer älteren Entscheidung festgestellt:

“Bewirkt der Täter als Organ, Vertreter oder Beauftragter einer juristischen oder natürlichen Person einen Vermögenszuwachs bei dem Vertretenen, kann er grundsätzlich nur dann etwas aus der Tat erlangt haben, wenn er Verfügungsgewalt über das Erlangte innegehabt hat.” (BGH, Beschl. v. 22.07.2014 – 1 StR 53/14)

Die Feststellung der Verfügungsgewalt reicht nun aber noch nicht aus, um die Taterträge als dem handelnden Geschäftsführer zugeflossen anzusehen. Schließlich wird dieser, zumindest bei entsprechender Stellung, in der Regel in großem Umfang die Möglichkeit haben, über die Gelder des Unternehmens zu verfügen.

“Es bedarf daher stets der Feststellung tatsächlicher Umstände, aus denen sich ergibt, dass der Täter persönlich etwas erlangt hat, was zu einer Änderung seiner Vermögensbilanz geführt hat, etwa weil eine Trennung von Privatvermögen des Täters und dem Vermögen des Beauftragenden tatsächlich nicht besteht (BGH, Beschluss vom 13.02.2014 – 1 StR 336/13, juris Rn. 75). Eine allein faktische Zugriffsmöglichkeit des Täters auf das Vermögen des Vertretenen bzw. Beauftragenden (§ 14 Abs. 2 StGB) reicht in diesem Zusammenhang nicht aus (BGH, Urteil vom 23.10.2013 – 5 StR 505/12, NStZ 2014, 89, 93).” (OLG Zweibrücken, Beschl. v. 09.08.2018 – 1 OLG 2 Ss 23/18)

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Der Bundesgerichtshof konkretisiert hier weiter:

“Sie können etwa darin liegen, dass der Täter die Gesellschaft nur als einen formalen Mantel seiner Tat nutzte, eine Trennung zwischen dem eigenen Vermögen und demjenigen der Gesellschaft aber nicht vornahm, oder darin, dass jeder aus der Tat folgende Vermögenszufluss an die Gesellschaft sogleich an den Täter weitergeleitet wird.“ (BGH, Beschl. v. 15.01.2020 – 1 StR 529/19)

Ein weiteres tragendes Indiz für eine solche Verfügungsgewalt mit persönlicher Vorteilsziehung eines Geschäftsführers kann zum Beispiel die zeitnahe Auszahlung von Geldern zum rechtswidrigen Geldzufluss sein.

„Erfolgen Zahlungseingänge auf dem Geschäftskonto einer GmbH und zeitnah dazu Auszahlungen an den als Geschäftsführer der GmbH tätigen Angeklagten persönlich, handelt es sich um „durchlaufende Posten“ mit der Folge, dass der Angeklagte diese Zahlungen selbst im Sinne des § 73 Abs. 1 StGB erlangt.“ (LG München I, Urt. v. 30.01.2019 – 15 Ns 309 Js 157546/15)



Es wird deutlich, dass die Gerichte nicht ohne stichhaltige Feststellungen zur Verfügungsgewalt der handelnden Personen und der Art und Weise des Zuflusses des illegal erworbenen Vermögens die Einziehung bei dem Geschäftsführer anordnen kann. Insbesondere kann man die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs dahingehend deuten, dass im Zweifel und ohne solche Feststellungen von der Einziehung allenfalls bei der Gesellschaft bzw. Unternehmen auszugehen ist.

„Wird der Vermögensvorteil hingegen von der Gesellschaft vereinnahmt, so kann nicht ohne Weiteres vorausgesetzt werden, dass der wirtschaftliche Wert der Geschäftsanteile im Privatvermögen des Täters mit jeder Zahlung oder jeder zurückgewiesenen Forderung steigt oder sich der Zufluss auf die Höhe einer späteren Entnahme aus dem Gesellschaftsvermögen auswirkt. In solchen Fällen sind die Einziehungsanordnungen und die sie sichernden Maßnahmen grundsätzlich gegen die Gesellschaft zu richten […].“ (BGH, Beschl. v. 15.01.2020 – 1 StR 529/19)

„Regelmäßig ist davon auszugehen, dass die juristische Person über eine eigene Vermögensmasse verfügt, die vom Privatvermögen des Täters zu trennen ist. Die dem Vermögen einer juristischen Person zugeflossenen Vermögenswerte sind daher auch dann nicht ohne weiteres vom Täter im Sinne des § 73 Abs. 1 StGB durch die Tat erlangt, wenn dieser eine legale Zugriffsmöglichkeit auf das Gesellschaftsvermögen hat. Für die Anordnung der Einziehung gegen den Täter bedarf es in derartigen Fällen einer über die faktische Verfügungsgewalt hinausgehenden Feststellungen, dass dieser selbst durch die Tat etwas erlangt hat, was zu einer Änderung seiner Vermögensbilanz geführt hat. […] Wird der Vermögensvorteil hingegen von der Gesellschaft vereinnahmt, so kann nicht ohne weiteres vorausgesetzt werden, dass sich der Zufluss auf die Höhe einer späteren Entnahme aus dem Gesellschaftsvermögen auswirkt, In solchen Fällen sind die Einziehungsanordnungen gegen die Gesellschaft zu richten.“ (BGH, Beschl. v. 17.01.2019 – 4 StR 486/18)

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Nicht unbeachtlich ist es auch, ob das betroffene Unternehmen auch über legale Einkunftsquellen verfügt, da dies die Einordnung der Entnahmen aus dem Unternehmen durchaus erschweren kann. Dagegen deutet die Entscheidung des Bundesgerichtshofs im Umkehrschluss an, dass bei Fehlen legaler Einkommensquellen sich Entnahmen von Geschäftsführern als Mittelzuflüsse i.S.d. § 73 StGB zugunsten des Geschäftsführers qualifizieren lassen können.

„Das angefochtene Urteil verhält sich nicht dazu, ob die Gesellschaft über legale Einkommensquellen verfügte oder etwa legale Gelder in das Gesellschaftsvermögen einflossen. Infolgedessen kann – entgegen der Annahme des Landgerichts – gerade nicht ohne weiteres vorausgesetzt werden, dass sich die betrügerischen Mittelzuflüsse der Gesellschaft auf die späteren Entnahmen aus dem Gesellschaftsvermögen ausgewirkt haben (vgl. BVerfG, Beschluss vom 29. Mai 2006 – 2 BvR 820/06, Rn. 27).“ (BGH, ebenda)

Wir halten also fest, dass es nicht allein auf die Verfügungsgewalt über das Gesellschafts- und Unternehmensvermögen ankommt. Vielmehr bedarf es einer genauen Prüfung und stichhaltigen Feststellungen im Einzelfall, um bei dem handelnden Geschäftsführer selbst die Einziehung anzuordnen. Dies kann sich in der Praxis durchaus als schwierig gestalten, bietet aber eine gute Grundlage für die Verteidigung.

Gilt dies auch für den faktischen Geschäftsführer?

Die aufgezeigten Grundsätze der Rechtsprechung finden uneingeschränkt auch Anwendung auf den sogenannten faktischen Geschäftsführer (so z.B. in BGH, Beschl. v. 17.01.2019 – 4 StR 486/18). Es ist also für die Einziehungsentscheidung völlig irrelevant, ob der Handelnde eingetragener Geschäftsführer oder anderweitiges Organ der Gesellschaft bzw. des Unternehmens ist. Es kommt allein darauf an, wer derjenige ist, dem der Vermögenszuwachs aus der Tat zukommt.



Abschließend halten wir fest, dass es sich bei den Einziehungsvorschriften um hoch auslegungsbedürftige Vorschriften handelt. Die Anwendung der Normen hängt damit sehr von der Entwicklung von Grundsätzen durch die obergerichtliche Rechtsprechung ab.

Die Einziehungsentscheidung ist ein immens wichtiger (finanzieller) Bestandteil von Wirtschaftsstrafverfahren.

Aus diesem Grund ist es von umso größerer Bedeutung, dass sich der spezialisierte Strafverteidiger mit der aktuellen Rechtsprechung auskennt, um hier die bestmögliche Verteidigung – und in diesem Fall eine möglichst geringe finanzielle Belastung – für seinen Mandanten zu gewährleisten.

 

Thomas Steur

Rechtsanwalt | Strafverteidiger