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Versuchter Mord – Anwendbarkeit des § 105 Abs. 3 S. 2 JGG
Dem Bundesgerichtshof lag ein Fall vor, bei dem er entscheiden musste, ob § 105 Abs. 3 S. 2 JGG auch auf den versuchten Mord Anwendung findet. Er entschied, dass dies tatsächlich der Fall sein soll. Rechtsanwalt und Fachanwalt für Strafrecht Jan Paulsen (Würzburg) und Rechtsanwalt Norman Jacob (Würzburg) vertreten in der nachfolgenden Darstellung die gegenteilige Auffassung.
§ 105 Abs. 3 JGG lautet:
„Das Höchstmaß der Jugendstrafe für Heranwachsende beträgt zehn Jahre. Handelt es sich bei der Tat um Mord und reicht das Höchstmaß nach Satz 1 wegen der besonderen Schwere der Schuld nicht aus, so ist das Höchstmaß 15 Jahre.“
I.
Der Gesetzestext spricht ausschließlich und ausdrücklich von „Mord“. Ein Mord setzt im allgemeinen Sprachgebrauch und insbesondere nach der gesetzlichen Definition in § 211 Abs. 2 StGB voraus, dass jemand verstorben ist bzw. getötet wurde. Dies ist bei einem versuchten Mord aber gerade nicht der Fall. Der Tatbestand des Mordes liegt (eigentlich selbstverständlich) nicht vor, wenn niemand getötet wurde. Folglich handelt es sich bei einer Tat bei der niemand getötet wurde unter keinem denkbaren Aspekt um Mord. Der Wortlaut spricht daher eindeutig für eine Nichtanwendbarkeit der Vorschrift auf den versuchten Mord und schließt eine Anwendbarkeit für den Versuch sogar aus.
II.
Auch die Entstehungsgeschichte bzw. eine teleologische Auslegung der Norm spricht eindeutig für eine Nichtanwendbarkeit der Vorschrift auf den versuchten Mord.
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Nach dem Gesetz zur Erweiterung der jugendgerichtlichen Handlungsmöglichkeiten vom 04.09.2012 (BHBl. I, S. 1854) ist die Höchststrafe bei Mord in Fällen besonderer Schwere der Schuld 15 Jahre Jugendstrafe. Voraussetzung ist damit, dass die Jugendstrafe wegen Schwere der Schuld und nicht wegen schädlicher Neigungen gem. § 17 Abs. 2 JGG verhängt wird und zwar wegen vollendeten Mordes. Ein Mordversuch genügt nach dem Wortlaut und der Zielsetzung der Bestimmung nicht. Ist die Schwere der Schuld schon schwierig zu begründen, gilt dies für die besondere Schwere der Schuld insbesondere. Der Gesetzgeber hat in der Gesetzesbegründung auf jede Konkretisierung verzichtet. Allerdings wird hervorgehoben, dass auch insoweit der Erziehungsgedanke leitend sei. Im Hinblick auf die endsozialisierende Wirkung langer Freiheitsstrafen ist von der Möglichkeit, Jugendstrafe über 10 Jahre anzuordnen, nur äußerst restriktiv Gebrauch zu machen, um das Rechtsvertrauen in der Bevölkerung z.B. bei einem Massenmord aus ideologischen Gründen wieder aufzurichten (vgl. Ostendorf, in: Ostendorf, Kommentar zum Jugendgerichtsgesetz, 10. Auflage, §105 Rn. 32a).
Der Gesetzgeber hat auch davon abgesehen den Strafrahmen für Heranwachsende für andere Taten als Mord, in denen lebenslange Freiheitsstrafe verhängt werden kann, zu erhöhen. Dies wäre entsprechend der Systematik des § 57a StGB einfach möglich gewesen. Er wollte aber gerade nur die schlimmsten Fälle des Mordes berücksichtigen und hat sämtliche anderen Taten ausgeklammert.
In der Drucksache 17/9389 des Deutschen Bundestages wird auf Seite 20 ausgeführt:
„Mit dem neuen § 105 Absatz 3 Satz 2 wird dem Jugendge- Richt für Heranwachsende, auf die wegen ihres Entwick- lungsstandes Jugendstrafrecht angewandt wird, bei Verurteilung wegen schwerster Mordverbrechen ein auf 15 Jahre angehobenes Höchstmaß der Jugendstrafe zur Verfügung gestellt. Strukturell entspricht die Formulierung von Satz 2 im Verhältnis zu Satz 1 der Regelung in § 18 Absatz 1 Satz 2 im Verhältnis zu § 18 Absatz 1 Satz 1. Die Neuregelung ermöglicht es, einer besonders schweren Schuld angemessener Rechnung zu tragen, wenn das allgemeine Höchstmaß der Jugendstrafe für Heranwachsende von zehn Jahren dafür im Einzelfall auch unter Berücksichtigung des leitenden Erziehungsgedankens nicht ausreicht. Der neue Satz 2 sieht Letzteres als Voraussetzung für eine Anwendung des erhöhten Strafrahmens ausdrücklich vor und verzichtet angesichts des auch bei Verurteilungen wegen Mordes durchaus unterschiedlichen Maßes der Schuldschwere auf eine generelle Anhebung des Höchstmaßes der Jugendstrafe für Mord.
Dadurch, dass nicht von vornherein alle Mordfälle aus dem Allgemeinen Strafrahmen bis zu zehn Jahren herausgenommen werden, kann zugleich in gewissem Umfang der Besorgnis begegnet werden, dass sich aufgrund der Neuregelung mittelbar auch der Maßstab für die Zumessung der Jugendstrafe insbesondere im Bereich der Strafen von fünf bis zehn Jahren nach oben verschiebt. Damit relativiert sich die Gefahr, dass sich die Höchststrafenanhebung jenseits der eigentlichen Zielgruppe in spezialpräventiver Hinsicht eher negativ auswirkt, und schließlich auch die Gefahr, dass die Länder wegen der Verlängerung von Vollzugszeiten in einem breiteren Feld spürbar höhere Vollzugskosten zu tragen haben werden. Insgesamt wurden wegen vollendeten Mordes in den Jahren 2007 und 2008 jeweils 17 Heranwachsende nach Jugendstrafrecht verurteilt, 16 im Jahr 2009 und elf im Jahr 2010 (Statistisches Bundesamt, Strafverfolgung 2007, 2008, 2009, 2010, jew. S. 33).“
Offensichtlich wurde seitens des Deutschen Bundestages davon ausgegangen, dass nur Fälle des vollendeten Mordes erfasst werden sollen.
Auch die Stellungnahmen der Sachverständigen, vor dem Rechtsausschuss des Deutschen Bundestages am 23.05.2012, also vor Erlass der Gesetzesänderung, die sich mit der hier gegenständliche Problematik befassen, gehen von einer Nichtanwendbarkeit der Vorschrift auf den versuchten Mord aus.
So heißt es bei der Stellungnahme von Frau Oberstaatsanwältin Andrea Titz, Stv. Vorsitzende des DRB zur Heraufsetzung der Höchststrafe auf 15 Jahre:
(…) Bei der Frage, ob aus diesem Grund die Obergrenze bei der Jugendstrafe für Heranwachsende erhöht wird, darf aber nicht übersehen werden, dass bei vollendetem Mord Jugendstrafrecht bei einem Heranwachsenden nur angewandt werden kann, sofern er Entwicklungsverzögerungen aufweist.“
In der Stellungnahme von Herrn Prof. em. Dr. Arthur Kreuzer, Justus-Liebig-Universität Gießen heißt es:
Entgegen früheren Forderungen nach einer Anhebung generell oder bei schweren Straftaten sieht der Entwurf entscheidende Eingrenzungen vor: Diese Obergrenze gilt nur für Heranwachsende, bei denen Jugendstrafrecht zur Anwendung kommt und die wegen Mordes mit besonders schwerer Schuld verurteilt werden.
Dieser Auszug aus den Stellungnahmen zur Gesetzesänderung machen ebenfalls deutlich, dass der Gesetzgeber den versuchten Mord nicht dem erhöhten Strafrahmen unterstellen wollte und die Vorschrift auf den versuchten Mord nicht anwendbar ist.
III.
In systematischer Hinsicht könnte man zur Begründung der anderen Rechtsauffassung auf den Rechtsgedanken des § 23 Abs. 2 StGB verweisen.
Dagegen spricht aber Folgendes:
Es erscheint mit der herrschenden Meinung nachvollziehbar diese Vorschrift bzw. § 12 Abs. 3 StGB zur Begründung dafür heranzuziehen, dass der Versuch eines Mordes nicht der Verjährung unterliegt, jedoch spricht § 78 Abs. 2 StGB von „Verbrechen nach § 211 StGB“ und eben nicht ausdrücklich davon, dass die Tat ein Mord sein muss.
Der Gesetzgeber ist ohne weiteres in der Lage zum Ausdruck zu bringen, dass eine Vorschrift auch in Fällen verschiedener Tatbeteiligungsformen und nur versuchter Taten Anwendung finden soll und hat dies in zahlreichen Gesetzen auch getan:
Im Hinblick auf § 100 a Abs. 1 Satz 1 StPO, bei dem der Gesetzgeber für die Überwachung der Telekommunikation ausdrücklich geregelt hat, dass der Versuch ebenfalls von der Norm umfasst sein soll, wird deutlich, dass das systematische Argument des Landgerichts nicht greift.
Gleiches gilt für die akustische Wohnraumüberwachung nach § 100 c StPO.
Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus anderen Vorschriften des Straf- und Strafprozessrechts:
Zwar findet beispielsweise § 112 Abs. 3 StPO auch auf Versuchstaten Anwendung, obwohl dies dort nicht ausdrücklich geregelt ist; bereits die Wortwahl des § 112 StPO ist aber eine andere und weniger bestimmte – es reicht aus, dass der Beschuldigte „einer Straftat nach…“ verdächtig ist. Diese Wortwahl steht einer Auslegung bei der der Versuch mit einbezogen wird nicht entgegen, nachdem beispielsweise auch ein versuchter Mord „eine Straftat nach“ § 211 StGB ist, und auch die weiteren in der Vorschrift genannten schweren Straftaten insbesondere § 308 StGB als Gefährdungsdelikt eine Anwendbarkeit auch auf Versuchsstraftaten nahe legen.
Vergleichbare Anhaltspunkte finden sich bei § 105 Abs. 3 JGG im Übrigen gerade nicht.
Darüber hinaus handelt es sich bei den genannten Vorschriften „nur“ um verfahrensrechtliche Vorschriften.
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IV.
Vorliegend ist schließlich zu berücksichtigen, dass der grammatikalischen Auslegung nach dem Wortlaut im Strafrecht eine besondere Rolle zukommt. Hier ist es verfassungsrechtlich (vgl. Art. 103 Abs. 2 GG) unzulässig, den Anwendungsbereich einer Norm über ihren eigentlichen Wortsinn zu Lasten des Täters auszudehnen. Dies muss umso mehr gelten, wenn es sich – wie hier – um das „schärfste Schwert“, nämlich das höchste Maß einer freiheitsentziehenden Maßnahme handelt. Eine Analogie zuungunsten des Angeklagten ist im materiellen Recht unzulässig und verstößt gegen den Grundsatz „nulla poena sine lege“. Vom Gesetzgeber verkannte Regelungslücken (eine solche liegt nicht einmal vor) müssen im Strafrecht stets zu Lasten des staatlichen Strafanspruchs gehen.
Wollte man die Anwendbarkeit auf Fälle des Versuchs erweitern läge auch kein Fall einer rechtlich zulässigen Auslegung eines unbestimmten Rechtsbegriffes vor.
Bei dem Tatbestandsmerkmal „Mord“ in § 105 Abs. 3 Satz 2 JGG handelt es sich gerade nicht um einen unbestimmten Rechtsbegriff sondern um einen seinerseits in § 211 StGB gesetzlich definierten Begriff.
Eine weite Auslegung des § 105 Abs. 3 S. 2 JGG wäre dementsprechend wohl verfassungswidrig, weswegen der Verurteilte in dem gegenständlichen Verfahren gegen die Entscheidung des BGH Verfassungsbeschwerde eingelegt hatte, die das Verfassungsgericht jedoch nicht zu Entscheidung angenommen hat, so dass die Frage der Verfassungswidrigkeit der Auslegung unbeantwortet bleibt.
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