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  • Teil 2

Ärztlicher Abrechnungsbetrug – streng formale Betrachtungsweise beim Schaden Teil 2

D. Entscheidung des Bundesverfassungsgericht zum Bestimmtheitsgrundsatz bezüglich des Schadens beim Betrug oder des Nachteils bei der Untreue

Das BVerfG hat bislang noch nicht entschieden, ob die Rechtsprechung des BGH zur streng formalen Betrachtungsweise bezüglich des Vermögensschadens dem Bestimmtheitsgebot genügt oder nicht.

I.
Soweit das BVerfG im Nichtannahmebeschluss vom 08.09.1997, Az: 2 BVR 2414/94 eine Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung angenommen hatte, bei der sich ein als Kassenarzt zugelassener Facharzt für Radiologie und Nuklearmedizin gegen seine strafgerichtliche Verurteilung wegen Betrugs im Zusammenhang mit der Abrechnung seiner für die Mitglieder der Krankenkassen erbrachten Leistungen gegenüber der kassenärztlichen Vereinigung entschieden hat, ging es bei dieser Entscheidung nicht um die Bestimmtheit des obigen Schadensbegriffs, sondern um ausreichende Bestimmtheit der Beurteilung der Rechtsmäßigkeit des erstrebten Vermögensvorteils aufgrund des Bestehens bzw. nicht Bestehens eines Anspruchs nach der Kassenärztlichen Gebührenordnung. Darüber hinaus ist der dieser Entscheidung zugrundliegenden Sachverhalt jedenfalls insoweit von dem nunmehr vorliegenden Sachverhalt zu unterscheiden, als in der damaligen Entscheidung nicht ausreichend qualifiziertes Personal Dienstleistungen erbracht hatte. Der Antragsteller im vorliegenden Verfahren durfte als approbierter Zahnarzt zahnärztliche Leistungen erbringen und war hierzu ohne weiteres qualifiziert.

Es geht im vorliegenden Verfahren nicht um die Bewertung des Zahlungsabflusses bei der Kassenärztlichen Vereinigung und dem dementsprechenden rechtswidrigen Zahlungszufluss beim Antragssteller, sondern um die Bewertung der vom Antragsteller erbrachten (ärztlichen) Gegenleistung.

In einer weiteren Entscheidung, nämlich im Beschluss vom 07.06.2005, Az: 2 BVR 1822/04 – hat das BVerfG folgendes ausgeführt:

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„Dies gilt hier in besonderer Weise auch deswegen, weil die abschließende Klärung der Anspruchsberechtigung – sowie das hiermit zusammenhängenden „Abrechnungsbetrugs“ (vgl. BGH NJW 2003, S. 1198, 1200, zur – offengelassenen – strengformalen sozialversicherungsrechtlichen Betrachtungsweise im Strafrecht; allgemein hierzu Volk, NJW 2000, S. 3385 ff; Wagner/Herrmann, NZG 2000, S. 520 ff.; Steinkemper, Medizinrecht 2001, S. 124 ff) – von schwierigen Rechtsfragen abhängt (vgl. LSG Niedersachen – Bremen, Medizinrecht 2002, S. 540 ff.; Spoehr/Fenner, Medizinrecht 2002, S. 109 ff.)“

Der Entscheidung des BVerfG lag ein Sachverhalt zugrunde, bei dem der damalige Beschwerdeführer, ein Arzt, seine ärztliche Tätigkeit als sogenannter Scheinselbstständiger ausgeübt haben sollte und unter Abgabe der bewusst wahrheitswidrigen Erklärung, die abzurechnenden Leistungen auf der Grundlage der vertragsärztlichen Bestimmung in „freier Praxis“ erbracht zu haben, Quartalsabrechungen erstellt und empfangen zu haben, obwohl er wusste, dass er auf die Zahlungen keinen Anspruch hatte.

II.
Das Bundesverfassungsgericht hat sich in der jüngeren Vergangenheit in zwei Entscheidungen zum Begriff des Nachteils in § 266 StGB und daran anschließend zum Schadensbegriff des § 263 StGB geäußert.
Zunächst hat das Bundesverfassungsgericht in seiner Entscheidung 2 BvR 2559/08, 2 BvR 105/09, 2 BvR 491/09, Beschluss vom 23.06.10 zur verfassungsgemäßen Auslegung im Hinblick auf den Bestimmtheitsgrundsatz bezüglich des Nachteilsbegriff der Untreue Stellung genommen.

Daran anschließend hat das BVerfG in BVerfG 2 BvR 2500/09, 2 BvR 1857/10 (Zweiter Senat) – Beschluss vom 7. Dezember 2011 ebenfalls zum Schadensbegriff beim Betrug Stellung genommen.

Das Bundesverfassungsgericht hat dabei – allerdings ohne direkten Bezug zum Abrechnungsbetrug – zum verfassungsrechtlichen Bestimmtheitsgebot folgendes ausgeführt.



Rn. 162 -164:

„a) Art. 103 Abs. 2 GG gewährleistet, dass eine Tat nur bestraft werden kann, wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde. Die Bedeutung dieser Verfassungsnorm erschöpft sich nicht im Verbot der gewohnheitsrechtlichen oder rückwirkenden Strafbegründung. Art. 103 Abs. 2 GG enthält ein striktes Bestimmtheitsgebot für die Gesetzgebung sowie ein damit korrespondierendes, an die Rechtsprechung gerichtetes Verbot strafbegründender Analogie (vgl. BVerfGE 14, 174 <185>; 73, 206 <234>; 75, 329 <340>; 126, 170 <194>).
Aus Art. 103 Abs. 2 GG ergeben sich für die Strafgerichte Verpflichtungen in mehrfacher Hinsicht. Der Gesetzgeber und nicht der Richter ist zur Entscheidung über die Strafbarkeit berufen (vgl. BVerfGE 71, 108 <116>; 92, 1 <19>; 126, 170<197>). Der Gesetzgeber hat zu entscheiden, ob und in welchem Umfang ein bestimmtes Rechtsgut mit den Mitteln des Strafrechts verteidigt werden muss. Den Strafgerichten ist es verwehrt, seine Entscheidungen zu korrigieren (vgl. BVerfGE 92, 1 <13>; 126, 170 <197>). Sie müssen in Fällen, die vom Wortlaut einer Strafnorm nicht mehr gedeckt sind, daher zum Freispruch gelangen und dürfen nicht korrigierend eingreifen (vgl. BVerfGE 64, 389 <393>; 126, 170<197>). Aus dem Erfordernis gesetzlicher Bestimmtheit folgt ein Verbot analoger oder gewohnheitsrechtlicher Strafbegründung. Dabei ist “Analogie” nicht im engeren technischen Sinn zu verstehen; ausgeschlossen ist vielmehr jede Rechtsanwendung, die – tatbestandsausweitend – über den Inhalt einer gesetzlichen Sanktionsnorm hinausgeht, wobei der Wortlaut als äußerste Grenze zulässiger richterlicher Interpretation aus der Sicht des Normadressaten zu bestimmen ist (vgl. BVerfGE 71, 108 <115>; 82, 236 <269>; 92, 1 <12>; 126, 170 <197 f.>). Dementsprechend darf die Auslegung und Anwendung der Tatbestandsmerkmale, mit denen der Gesetzgeber das unter Strafe gestellte Verhalten bezeichnet hat, nicht dazu führen, dass die dadurch bewirkte Eingrenzung der Strafbarkeit im Ergebnis wieder aufgehoben wird.
Bei der verfassungsrechtlichen Überprüfung, ob die Strafgerichte diesen aus Art. 103 Abs. 2 GG folgenden Vorgaben gerecht geworden sind, ist das Bundesverfassungsgericht nicht auf eine Vertretbarkeitskontrolle beschränkt. Der in Art. 103 Abs. 2 GG zum Ausdruck kommende strenge Gesetzesvorbehalt erhöht nämlich die verfassungsgerichtliche Kontrolldichte. Die Bestimmung der äußersten Grenzen des Strafgesetzes betrifft die Entscheidung über die Strafbarkeit und damit die Abgrenzung der Kompetenzen von Judikative und Legislative. Für die Klärung der insoweit aufgeworfenen Fragen ist das Bundesverfassungsgericht zuständig (vgl. BVerfGE 126, 170 <199>).“ (BVerfG 2 BvR 2500/09, 2 BvR 1857/10 (Zweiter Senat) – Beschluss vom 7. Dezember 2011 (BGH / OLG Düsseldorf) Rn. 162-164.

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In derselben Entscheidung hat es als Konsequenz hieraus weiter bezüglich des Tatbestandsmerkmals des Vermögenschadens des Betruges (Gegenstand war ein Gefährdungsschaden) folgendes festgestellt:

„Allerdings darf auf diese Weise der Tatbestand des § 263 StGB nicht verfassungswidrig überdehnt werden (vgl. BVerfGE 126, 170 <226 ff.>). Das Tatbestandsmerkmal des Vermögensschadens begrenzt die Betrugsstrafbarkeit und kennzeichnet § 263 Abs. 1 StGB als Vermögens- und Erfolgsdelikt…..….Normative Gesichtspunkte können bei der Bewertung von Schäden eine Rolle spielen; sie dürfen die wirtschaftliche Betrachtung allerdings nicht überlagern oder verdrängen (vgl. BVerfGE 126, 170 <212, 228>).“ (wie vor Rn 174).

Damit korrespondierend hatte das BVerfG zum Nachteilsbegriff des § 266 StGB zuvor ausgeführt (BVerfG 2 BvR 2559/08, 2 BvR 105/09, 2 BvR 491/09 (Zweiter Senat) – Beschluss vom 23. Juni 2010, Rn. 112):

„Normative Gesichtspunkte können bei der Feststellung eines Nachteils durchaus eine Rolle spielen. Sie dürfen aber, soll der Charakter der Untreue als Vermögensdelikt und Erfolgsdelikt bewahrt bleiben, wirtschaftliche Überlegungen nicht verdrängen. So kann beispielsweise die Verwendung des anvertrauten Vermögens zu verbotenen Zwecken nicht per se als nachteilsbegründend angesehen werden; vielmehr bleibt es auch in solchen Fällen erforderlich, zu prüfen, ob das verbotene Geschäft – wirtschaftlich betrachtet – nachteilhaft war.“




Darüber hinaus hat das BVerfG in derselben Entscheidung ausgeführt, Rn 110:

„c) Im Falle des Nachteilsmerkmals muss die Auslegung den gesetzgeberischen Willen beachten, dieses Merkmal als selbständiges neben dem der Pflichtverletzung zu statuieren; sie darf daher dieses Tatbestandsmerkmal nicht mit dem Pflichtwidrigkeitsmerkmal verschleifen, das heißt, es in diesem Merkmal aufgehen lassen (zu dieser Gefahr vgl. Saliger, ZStW 112 <2000>, S. 563 <610>; ders., HRRS 2006, S. 10 <14>)“

Die Entscheidung des BVERfG Beschluss vom 07. Mai 2014 – 1 BvR 3571/13, bezüglich der Verfassungsmäßigkeit der Rechtsprechung zur „Retaxation auf Null“ enthält keine für den vorliegenden Fall zu berücksichtigenden Ausführungen. Dort heißt es lediglich (Rn. 46 und 47):

„Die Ausführungen in den Verfassungsbeschwerden lassen schließlich auch keinen Verstoß gegen Art. 103 Abs. 2 GG erkennen.
Es fehlt schon an einem Eingriff in den Schutzbereich des Art. 103 Abs. 2 GG durch die Rechtsprechung zur pauschalen „Retaxation auf Null“, weil es insoweit nicht genügt, dass eine Maßnahme an ein rechtswidriges Verhalten anknüpft (vgl. BVerfGE 105, 135 <153>; 109, 133 <167>; 117, 71 <110>).“

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E. Folgerungen für die fehlende Bestimmtheit, Art. 103 II GG

I. Die Auffassung des OLG Bamberg und LG Würzburg

Das OLG Bamberg hat in seinem Beschluss lediglich ausgeführt, dass es die in der Revisionsbegründung vorgetragenen verfassungsrechtliche Bedenken gegen die streng formale Betrachtungsweise zur Feststellung eines Schadens nicht teilt und das Landgericht rechtsfehlerfrei einen Vermögensschaden bejaht habe.
Maßgeblich sind hier also die Ausführungen des Landgerichts zur Feststellung eines Schadens.

Entsprechend der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs hat das Landgericht in seinem Urteil dem Wert der vom Angeklagten tatsächlich beanstandungsfrei erbrachten Zahnärztlichen Leistung keinerlei Wert zugemessen. Die ersparten Aufwendungen der Kassen in gleicher Höhe seien nach dem formalen Schadensverständnis des BGH nicht zu berücksichtigen.
Der Grund hierfür – so erschließt es sich aus dem Gesamtbild der Urteilsgründe – ist ausschließlich, dass der Angeklagte auf seine kassenärztliche Zulassung verzichtet hatte, und zum Zeitpunkt der Abrechnungen nicht mehr berechtigt war von ihm erbrachte Leistungen gegenüber der zahnkassenärztlichen Vereinigung abzurechnen.
Dass das Landgericht dabei zu Unrecht davon ausgeht, der Angeklagte sei nicht befugt gewesen sei, die Kassenpatienten zu behandeln – ein derartiges Verbot existiert nicht – spielt für die verfassungsrechtliche Beurteilung eine nur untergeordnete Rolle.



In diesem Zusammenhang ist allerdings darauf hinzuweisen, dass es aus rechtlicher Sicht möglich gewesen wäre, dass der Angeklagte seine zahnärztlichen Dienstleistungen in rechtlich nicht zu beanstandender Weise erbracht hätte und diese dann auch tatsächlich über den Verurteilten Dr. G. hätten abgerechnet werden können, beispielsweise als angestellter Zahnarzt mit entsprechender Genehmigung durch die kassenzahnärztliche Vereinigung, die nicht hätte versagt werden können.
Auch hätte er die erneute Zulassung als Vertragsarzt beantragen können, die nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts auch hätte erteilt werden müssen, nachdem, wie das Sozialgericht ursprünglich zutreffend entschieden hatte (Entscheidung beigefügt als Anlage 20, der anschließende Vergleich in der Berufungsinstanz als Anlage 21), der Widerruf der Zulassung rechtswidrig war. Auch enthielt der Vergleich mit dem der Verzicht seitens des Angeklagten erklärt wurde keine Frist innerhalb der ein Antrag auf Neuerteilung unzulässig gewesen wäre. Eine solche Frist ist für den Fall des Verzichtes auf die Zulassung auch nicht gesetzlich vorgesehen.
Zweifel an der zahnärztlichen Fachkompetenz des approbierten Angeklagten bestanden nach den Urteilsfeststellungen zu keinem Zeitpunkt.

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Vor diesem Hintergrund gilt verfassungsrechtlich folgendes:

Ein Verstoß gegen den Bestimmtheitsgrundsatz liegt vor, wenn einerseits jede auf einfachgesetzlicher Ebene vertretene Auffassung, die auf Grund einer rein wirtschaftlichen Betrachtungsweise der im vorliegenden Fall erbrachten ärztlichen Leistung einen Wert abspricht gegen den Bestimmtheitsgrundsatz verstößt, andererseits aber auch die streng formale, sozialrechtsakzessorische Betrachtungsweise eine normative Wertung enthält, die ebenfalls mit dem Bestimmtheitsgrundsatz nicht mehr zu vereinbaren ist.


II. Fehlende Bestimmtheit der Auffassung es fehle an der Unmittelbarkeit der zahnärztlichen Leistung

Grundsätzlich dürfte es der allgemeinen Auffassung entsprechen, dass bei rein wirtschaftlicher Betrachtungsweise jede zahnärztliche Dienstleistung einen objektivierbaren Wert hat. Die zahnärztliche Leistung steht auch, wenn sie lege artis erbracht und formal korrekt abgerechnet wird, als unmittelbare Gegenleistung der Zahlung des Honorars durch den Patienten oder – im Rahmen des vertragsärztlichen Systems – durch die kassenärztlichen Vereinigung gegenüber. Anders soll dies – wiederum auf Grund einer wertenden Betrachtung – nach Auffassung des BGH dann sein, wenn über Leistungsmerkmale auch ohne vermögensrechtlichen Bezug bei der Abrechnung durch den Arzt getäuscht wird.



Der Kompensation der Vermögenseinbuße durch die Zahlung der ärztlichen Gebühren durch die Erbringung der zahnärztlichen Leistung kann aber nicht entgegengehalten werden, ihr fehle die Unmittelbarkeit. Soweit der BGH im oben genannten Pflegedienstfall darauf hinweist, dass die Befreiung der Kranken- bzw. Pflegekasse von ihrer Leistungspflicht gegenüber dem Versicherungsnehmer nicht das Leistungsverhältnis zwischen dem Pflegedienst der dortigen Angeklagten und der Kranken- bzw. Pflegekasse betreffe und damit nicht als Gegenleistung für die Zahlung angesehen werden könne übersieht der Bundesgerichtshof, dass die Beziehung von Arzt zu Patient, von Patient zur Krankenkasse, von Krankenkasse zur kassenzahnärztlichen Vereinigung und von Krankenversicherung der kassenärztliche Vereinigung zum Arzt ein gesetzliches Gesamtkonstrukt darstellt, dass an die Stelle des eigentlichen Vertragsverhältnisses zwischen Arzt und Patient tritt. Jede Leistung oder Leistungsstörung zwischen Arzt und Patient wirkt sich zwangsläufig und unmittelbar auf den Zahlungsanspruch des Arztes gegenüber der kassenärztlicher Vereinigung bzw. Krankenkasse aus. Durch die Erbringung der zahnärztlichen Leistung werden die Krankenkassen unmittelbar von der Leistungspflicht befreit.

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Selbstverständlich kann dabei auch die Zahlung der zahnärztlichen Vergütung durch die kassenärztliche Vereinigung nicht als ein von der erbrachten Dienstleistung losgelöster (isolierter) Akt betrachtet werden. Ohne die zahnärztliche Dienstleistung, die die Befreiung der Krankenkasse von ihrer Verpflichtung über dem Patienten zur Folge hat, würde es keine Zahlung geben, da der Arzt ja keine Luftrechnungen erstellt, sondern nur tatsächlich lege artis erbrachte Leistungen abrechnen will. Leistung und Gegenleistung stehen hier in einem unmittelbaren Verhältnis zueinander. Die Krankenkasse bzw. die kassenärztliche Vereinigung zahlt quasi stellvertretend für den Patienten. In diesem Fall die Leistung der kassenärztlichen Vereinigung als außerhalb der unmittelbaren rechtlichen Verhältnisse zwischen den zwangsweise Beteiligten (Patienten, Krankenkassen und kassenärztlichen Vereinigung) einzuordnen ist auch nach verfassungsrechtlichen Grundsätzen nicht mehr vertretbar. Bei rein wirtschaftlicher Betrachtungsweise stehen Leistung und Gegenleistung, wie immer im Rahmen vertraglicher Austauschverhältnisse, in unmittelbarer Beziehung zueinander. Nur auf Grund einer Wertung, hier der nicht mehr vorhandenen Zulassung als Vertragsarzt kann dargestellt werden, die Unmittelbarkeit des Austauschverhältnisses sei nicht mehr gegeben. Dadurch wird aber die wirtschaftliche Betrachtung des Austauschverhältnisses vollständig untergraben.




III. Fehlende Bestimmtheit der streng formalen Betrachtungsweise
Das Bundesverfassungsgericht hat festgestellt, dass normative Erwägungen die wirtschaftliche Betrachtungsweise nicht überlagern oder verdrängen dürfen. Genau das geschieht jedoch, wenn aufgrund der streng formalen Betrachtungsweise der von dem Angeklagten erbrachten Leistung jeglicher Wert abgesprochen wird. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Fehlerhaftigkeit der Abrechnungsgrundlage letztlich lediglich auf einer Statusfrage beruht, die in keinem Zusammenhang mit der Leistungsfähigkeit als Zahnarzt steht. Bei entsprechender rechtlicher Ausgestaltung hätte der Angeklagte seine Patienten weiterhin behandeln und dementsprechend abrechnen können.
Die mangelhafte Bestimmbarkeit der streng formalen Betrachtungsweise ergibt sich im Übrigen im konkreten Fall bereits aus der Widersprüchlichkeit der Ausführungen des Landgerichts selbst. Das Landgericht hat die Leistungen, die der Angeklagte vor dem Zeitpunkt seines Verzichts auf die kassenärztliche Zulassung erbracht hat, die er jedoch zu einem Zeitpunkt abrechnete, als er die kassenärztliche Zulassung bereits verloren hatte, nicht als Schaden gewertet. Die Abrechnung war jedoch auch insoweit mangelbehaftet, als in der Abrechnung ja behauptet worden war, die Leistungen seien durch den ebenfalls verurteilten Dr. G. erbracht worden. Diese Leistungen des Angeklagten behielten aber nach Auffassung des Landgerichts ihren vollen Wert. Erst nach dem Stichtag erbrachte Leistungen sollen ihren Wert vollständig verloren haben.
Dem völligen Verlust des wirtschaftlichen Wertes der zahnärztlichen Dienstleistung kann auch nicht entgegengehalten werden, dass, wenn das Sozialrecht der erbrachten Leistung die Anerkennung als vermögenswerte (und damit abrechenbare) Leistung verweigert und insoweit auch keine anderweitigen Anspruchsgrundlagen in Betracht kommen (BGH NJW 2014, 3170 (3172)) diese auch keinen Vermögenszufluss darstellen, der die mit der Zahlung begründete Vermögensminderung kompensiert. Unzutreffend ist insoweit bereits, dass das Sozialrecht der entgegen sozialrechtlicher Abrechnungsvorschriften erbrachten zahnärztlichen Leistung den Vermögenswert aberkennt. Es lässt lediglich die Abrechnung gegenüber der kassenärztlichen Vereinigung nicht zu. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts zur streng formalen Betrachtungsweise:

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BSG, 17.05.2000 – B 3 KR 19/99
Rn 5 :

„In der höchstrichterlichen Rechtsprechung geklärt sind auch die von der Klägerin als grundsätzlich angesehenen Fragen zur Anwendbarkeit von Regelungen über die Geschäftsführung ohne Auftrag (GoA) bzw aus dem Bereicherungsrecht auf die Zahlungspflicht von Krankenkassen für ärztlich verordnete Arzneimittel. Aufwendungsersatzansprüche nach den Vorschriften über die GoA sind dann nicht gegeben, wenn besondere Bestimmungen des bürgerlichen Rechts das Verhältnis zwischen Geschäftsführer und Geschäftsherrn abweichend regeln (BGHZ 98, 235, 242) oder wenn Vorschriften des öffentlichen Rechts eine erschöpfende Regelung darstellen, die einen Rückgriff auf die Grundsätze über die GoA nicht erlaubt (BGHZ 30, 162, 169; BGHZ 140, 102, 109 = NJW 1999, 858, 860; desgleichen st Rspr des Bundessozialgerichts <BSG>, vgl zuletzt Urteil des BSG vom 26. Januar 2000, B 6 KA 59/98 R). Das Gleiche gilt in Bezug auf die Anwendbarkeit der zivilrechtlichen Grundsätze über die Herausgabe einer ungerechtfertigten Bereicherung (vgl BSGE 74, 154, 158 = SozR 3-2500 § 85 Nr 6), der die besonderen Erfordernisse des auf der vertragsärztlichen Verordnung basierenden Versorgungssystems entgegenstehen. Bestimmungen, die die Vergütung ärztlicher oder sonstiger Leistungen von der Erfüllung bestimmter formaler oder inhaltlicher Voraussetzungen abhängig machen, haben innerhalb dieses Systems die Funktion zu gewährleisten, dass sich die Leistungserbringung nach den für die (vertragsärztliche) Versorgung geltenden gesetzlichen und vertraglichen Bestimmungen vollzieht. Das wird dadurch erreicht, dass dem Arzt oder sonstigen Leistungserbringer für Leistungen, die er unter Verstoß gegen derartige Vorschriften bewirkt, auch dann keine Vergütung zusteht, wenn diese Leistungen im Übrigen ordnungsgemäß erbracht sind. Ihre Steuerungsaufgabe könnten die genannten Regelungen nicht erfüllen, wenn der Arzt oder der mit ihm zusammenarbeitende nichtärztliche Leistungserbringer die gesetz- oder vertragswidrig bewirkten Leistungen über einen Wertersatzanspruch aus ungerechtfertigter Bereicherung oder einen Aufwendungsersatzanspruch aus GoA im Ergebnis dennoch vergütet bekäme.“




Darüber hinaus handelt es sich beim Sozialrecht und beim Strafrecht um zwei grundsätzlich unterschiedliche Rechtsmaterien mit unterschiedlichen Wertungen bei dem sich eine strenge Anbindung des Strafrechts an sozialrechtliche Grundsätze verbieten sollte. Sehr ausführlich hierzu nochmals Schneider/Kaltenhäuser A.A.O. Seite 26 ff.

Darüber hinaus widerspricht die Auffassung, die zur Rechtfertigung der streng formalen Betrachtungsweise herangezogen wird, die Erbringung verbotener Leistungen sei auch dann nicht als Vermögenswert anzuerkennen, wenn sie üblicherweise nur gegen Entgelt erbracht werde (Böse, a.a.O. S. 241 mit Verweis auf BGH NJW 2012, 1377 (1384), da sich das Strafrecht ansonsten in Widerspruch zur übrigen Rechtsordnung setzen würde, wenn es im Rahmen des Betrugstatbestandes nichtigen – weil gesetzeswidrigen – Ansprüchen Schutz gewährte, der vom Bundesverfassungsgericht ausdrücklich geäußerten Auffassung:

„So kann beispielsweise die Verwendung des anvertrauten Vermögens zu verbotenen Zwecken nicht per se als nachteilsbegründend angesehen werden.; vielmehr bleibt es auch in solchen Fällen erforderlich zu prüfen, ob das verbotene Geschäft nachteilig war.“ (siehe bereits oben).

Der BGH verkennt auch, dass das Strafrecht nicht deshalb gesetzwidrigen Ansprüchen Schutz gewährt, wenn diesen innerhalb des Straftatbestandes des Betruges in einzelnen Fällen ein Wert zuerkannt wird und damit mangels des Eintritts eines Schadens der Tatbestand nicht verwirklicht wird; es wird lediglich verhindert, dass der ohnehin sanktionierte gesetzwidrige Anspruch auf Grund einer weiteren Anspruchsgrundlage geltend gemacht werden kann. Das Strafrecht ist von seiner Ausrichtung her – Sanktionierung verbotenen Verhaltens – gänzlich ungeeignet, verbotenes Verhalten durch Nichtsanktionierung zu schützen.

Bereits die Fülle der unterschiedlichen Auffassungen im Schrifttum zeigt, dass der Schadensbegriff beim ärztlichen Abrechnungsbetrug schwer zu fassen ist. Genau dies sollte er jedoch nicht sein. Für den Normadressaten muss klar erkennbar sein, wann er den Straftatbestand des Betruges erfüllt.

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Besonders deutlich wird die mangelnde Bestimmtheit der streng formalen Betrachtungsweise aber an den rechtlichen Erwägungen des Landgerichts. Es hatte, im Gegensatz zur Auffassung des Amtsgerichts, einen Schaden im Sinne des § 263 StGB für die (auch diesbezüglich formal fehlerhafte) Abrechnung der zahnärztlichen Leistungen, die in dem Zeitraum erbracht wurden, in dem der Antragsteller seine Zulassung als Vertragsarzt noch hatte, nicht gesehen. Erst für die erbrachten zahnärztlichen Leistungen, die zeitlich nach seinem Verzicht auf die Zulassung lagen, hat es diesen Leistungen jeglichen Wert abgesprochen und einen Schaden festgestellt.
Dabei war es dem Antragsteller nicht untersagt weiter als Zahnarzt tätig zu sein, sondern lediglich nicht mehr möglich, diese Leistungen gegenüber der kassenärztlichen Vereinigung abzurechnen. Allein der Status der nicht mehr vorhandenen vertragsärztlichen Zulassung soll von einem Tag auf den anderen den Wert der vom Antragsteller erbrachten Leistung auf null reduziert haben. Dies ist mit einer vom Gesetzgeber gewollten wirtschaftlich geprägten Betrachtungsweise des Schadensbegriffs nicht mehr vereinbar. Der konkreten Leistung des Arztes, die aus Sicht der behandelten Patienten einen ohne weiteres nachvollziehbaren wirtschaftlichen Wert hat, die der Gemeinschaft der Versicherten durch die Heilbehandlung als Wert zufließt, die Krankenkassen von der Leistungspflicht gegenüber dem Versicherungsnehmer und letztlich auch die kassenärztliche Vereinigung unmittelbar von einer Leistungspflicht befreit, wird ausschließlich auf Grund einer normativen Betrachtung der Wert genommen. Darüber hinaus hat der Antragsteller nach den gerichtlichen Feststellungen ja auch Material mit erheblichem Sachwert eingesetzt und verwendet.



Schließlich ist festzuhalten, dass der Umstand, ob ein Arzt eine Zulassung als Vertragsarzt hat oder nicht für den Wert der von ihm erbrachten Leistung schon aus gesetzgeberischer Sicht nicht von Bedeutung sein darf. Dies ergibt sich aus § 13 SGB V, der es ausländischen Ärzten und deutschen Ärzten mit Sitz im Ausland ermöglicht Kassenpatienten zu behandeln und jedenfalls indirekt auch eine Vergütung von den Kassen, die zur Erstattung des Honorars gegenüber ihren Versicherten verpflichtet sind, zu erhalten.

VI. Verschleifung von Tatbestandsmerkmalen
Das nebeneinander selbständige Tatbestandsmerkmale eines Straftatbestandes nicht miteinander verschliffen werden dürfen, so dass sie ihre selbständige Bedeutung verlieren, kann nach dem Bestimmtheitsgebot allgemeine Gültigkeit beanspruchen. In der Literatur wird bezüglich des Abrechnungsbetrugs vor allem die Verschleifung des Merkmals der Täuschung mit dem des Vermögensschadens kritisiert (siehe oben). Es darf aber darüber hinaus auch zu keiner Verschleifung der Merkmale des (rechtswidrigen) Vermögensabflusses und des unmittelbar durch die Gegenleistung erfolgenden Vermögenszuflusses kommen. Genau dies geschieht aber, wenn die Rechtswidrigkeit des Vermögenszuflusses durch die Zahlung der (nicht geschuldeten) kassenärztlichen Vergütung an den Arzt automatisch zur Konsequenz hat, dass dessen fachgerecht und mit der entsprechenden ärztlichen Qualifikation erbrachte Leistung keinen Wert mehr haben soll.


Nach alledem bleibt festzuhalten, dass die vom Landgericht gewählte Auslegung des Schadensbegriffs des § 263 StGB gegen den Bestimmtheitsgrundsatz nach Artikel 103 Abs. 2 Grundgesetz verstößt.