Erfolgreiche Revision gegen eine strafrechtliche Verurteilung wegen falscher Verdächtigung durch das Landgericht Würzburg
Das OLG Bamberg – Az. 2 OLG 120 Ss 119/17 – hat ein Urteil des Landgerichts Würzburg aufgehoben und zur erneuten Entscheidung über die Angelegenheit an eine andere Kammer des Landgerichts Würzburg zurückverwiesen.
Die Zurückverweisung erfolgte, weil einerseits der Angeklagte von dem Vorwurf wegen dem das Landgericht ihn verurteilte freizusprechen gewesen wäre, andereseits aber das OLG die Auffassung vertrat, eine andere Tat, die der Angeklagte möglichweise begangen habe und die von der Anklage (obwohl sie dort gänzlich unerwähnt blieb) mit erfasst gewesen sei, wäre vom Gericht übersehen worden.
Das OLG hat zusammengefasst Folgendes ausgeführt:
Die statthafte und auch sonst zulässige Revision des Angeklagten hat bereits mit der Sachrüge Erfolg und führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils, weil das vom Landgericht festgestellte
Verhalten des Angeklagten den Straftatbestand des § 145d Abs. 1 Nr. 1 StGB nicht erfüllt ….. Auf die zudem erhobenen Verfahrensrügen kommt es daher nicht mehr an.
1. Entgegen der Auffassung des Landgerichts tragen die zum Tatgeschehen getroffenen Feststellungen die Verurteilung des Angeklagten wegen Vortäuschens einer Straftat nach § 145d Abs.
1 Nr. 1 StGB nicht.
a) Nach den Feststellungen des Landgerichts erstattete der Angeklagte am 17.12.2015 auf der Dienststelle der Polizeiinspektion Würzburg-Stadt gegenüber Polizeihauptkommissar S. wider besseres Wissen dahingehend Anzeige, dass ihm sein Smartphone im Wert von ca. 600 € am 05.12.2015 gegen 5.00 Uhr in der Straßenbahn auf dem Weg von der Haltestelle Neubaustraße zur Haltestelle Juliuspromenade in Würzburg gestohlen worden sei. Tatsächlich war das Smartphone nicht wie von ihm angegeben entwendet worden, sondern er hatte dieses bereits am 13.11.2015 im Raucherbereich der Räumlichkeiten des Stripclubs „Gents” in der Paradiesstraße 16c in 97080 Würzburg-Unterdürrbach verloren. Noch am selben Tag hatte es dort die hierwegen bereits rechtskräftig verurteilte N. aufgefunden, unberechtigt an sich genommen und in der Folgezeit benutzt. Da der Angeklagte selbst in der Hauptverhandlung angegeben hatte, eine Ortung seines Handys vorgenommen und daraufhin in dem Club in der Paradiesstraße, der letzten angezeigten Örtlichkeit, nachgefragt zu haben, ging das Landgericht davon aus, dass der Angeklagte wusste, dass seine am 17.12.2015 bei der Polizei getätigten Angaben über Zeit, Ort und Umstände des Abhandenkommens des Handys unzutreffend waren.
Das Landgericht hat seine Überzeugungsbildung im Wesentlichen auf den Inhalt der von dem Angeklagten selbst gelesenen, genehmigten und unterzeichneten polizeilichen Vernehmung vom 17.12.2015 gestützt, zu welcher der aufnehmende Polizeibeamte als Zeuge angegeben hatte, er habe nur aufgenommen, „was der Angeklagte ihm gesagt habe. Wenn der Angeklagte ihm gesagt hätte, er könne nicht ausschließen, dass er es verloren habe, hätte er erst eine Verlustanzeige aufgenommen. Das sei nur ein einziges Formblatt und mache weniger Arbeit. Auch bei einer Verlustanzeige hätte er über Google nach dem Handy ermittelt. Der Angeklagte habe aber ganz konkret gesagt, es sei gestohlen worden. Er selbst habe die Frage gestellt, ob er sich sicher sei, dass er es nicht verloren habe; wenn der Angeklagte gesagt hätte, er könne ein Verlieren nicht ausschließen, hätte er eine Verlustanzeige aufgenommen, weil das weniger Arbeit mache.
Zu den von ihm aufgrund der Strafanzeige des Angeklagten veranlassten Ermittlungen hatte der Zeuge angegeben, „er habe dann Ermittlungen bei Google gemacht; dabei sei eine Frau im Hessischen herausgekommen, die das Handy schon Wochen vorher genutzt habe. Er habe dann einen Durchsuchungsbeschluss beantragt, weil er sich gedacht habe, das sei die einfachste Art, das Handy wieder zu bekommen. Dieser sei aber abgelehnt worden; er wisse nicht warum; es habe ihn auch gewundert. Er habe die Frau dann vernehmen lassen; die habe es zugegeben und habe gesagt, sie habe das Handy gefunden. Sie habe das Handy bei der Vernehmung abgegeben.
b) Das festgestellte Verhalten des Angeklagten erfüllt nicht den Straftatbestand des Vortäuschens einer Straftat nach § 145d Abs. 1 Nr. 1 StGB.
aa) Zutreffend geht das Landgericht davon aus, dass die Vorschrift des § 145d Abs. 1 Nr. 1 StGB zwei Fallgruppen erfasst. So macht sich nicht nur strafbar, wer eine frei erfundene, in Wirklichkeit nicht begangene Straftat behauptet und die Täuschung hierüber geeignet ist, unnützerweise staatliches Einschreiten auszulösen, sondern auch, wer eine tatsächlich begangene Tat derart abweichend darstellt, dass sie durch die Anzeige ein im Kern anderes Gepräge erhält. Bei dem
Straftatbestand des Vortäuschens einer Straftat nach § 145d Abs. 1 Nr. 1 StGB handelt es sich um ein abstraktes Gefährdungsdelikt, mit dem die zur Strafverfolgung berufenen Behörden vor ungerechtfertigter Inanspruchnahme und vor Veranlassung zu unnützen Maßnahmen geschützt werden sollen (BGH NStZ 2015, 514; vgl. auch Schönke/Schröder-Sternberg-Lieben StGB 29.
Aufl. § 145d Rn. 1 und Fischer StGB 62. Aufl. § 145d Rn. 5 m.w.N.).
Aufl. § 145d Rn. 1 und Fischer StGB 62. Aufl. § 145d Rn. 5 m.w.N.).
bb) Wann im Einzelnen davon auszugehen ist, dass durch ein Weglassen oder Hinzudichten von Tatumständen eine tatsächlich begangene Tat in ihrem Charakter völlig verändert wird, wird in
Rechtsprechung und Schrifttum nicht einheitlich beurteilt.
Während es im Wesentlichen unstreitig ist, dass eine Strafbarkeit nach § 145d Abs. 1 Nr. 1 StGB jedenfalls dann ausscheidet, wenn eine wirklich begangene Tat bloß übertrieben oder in einzelnen Modalitäten wie Tatort oder Tatzeit falsch dargestellt wird (LK-Ruß StGB 12. Aufl. § 145d Rn. 11 f. m.w.N.), lassen Rechtsprechung und Schrifttum jedenfalls für jene Fallgestaltungen allgemein gültige Kriterien vermissen, bei denen es sich nicht lediglich um bloße Übertreibungen oder Vergröberungen des Sachverhalts handelt. Nach der Rechtsprechung ist eine Charakterveränderung im Wesentlichen dann in Betracht zu ziehen, wenn die begangene Tat gegenüber der vorgetäuschten nicht ins Gewicht fällt und dadurch das Geschehen aufgrund der Täuschung ein völlig anderes Gepräge erhält (BayObLG NJVV 1988, 83; OLG Hamm NJVV 1971,1324) oder durch die Täuschung aus einem Antrags- bzw. Privatklagedelikt ein Offizialdelikt oder aus einem Vergehen ein Verbrechen wird (OLG Karlsruhe MDR 1992, 1166). Weitgehende Übereinstimmung besteht darin, dass eine Gesamtbetrachtung der Umstände der Tat stattzufinden hat und Ausgangspunkt einer Abgrenzung das geschützte Rechtsgut des § 145d StGB sein muss. Maßgeblich ist daher nach dem Strafzweck darauf abzustellen, ob der Umfang der erforderlichen Maßnahmen hinsichtlich des vorgetäuschten Deliktes über den zur Aufklärung notwendigen Ermittlungsbedarf hinsichtlich des tatsächlichen Deliktes wesentlich hinausgeht, wobei es insoweit auf den Zeitpunkt der Vortäuschung ankommt. Ist dies nicht der Fall, so ist entweder schon der objektive Tatbestand des § 145d Abs. 1 Nr. 1 StGB nicht erfüllt oder aber die subjektive Tatseite zu verneinen, wenn der Täter ebenfalls von keiner erheblichen Ausweitung der Ermittlungsarbeit ausgehen konnte (OLG Karlsruhe a.a.O. S. 1167). Nach BGH NStZ 2015, 514 ist im Rahmen einer Gesamtbetrachtung der Umstände des Einzelfalls entscheidend, ob die für die angezeigte Tat
scheinbar notwendigen und die tatsächlich erforderlichen Ermittlungsmaßnahmen im Zusammenhang stehen oder erstere sich letztlich als unnütz erweisen.
cc) Nach diesen Maßstäben kann der Senat der rechtlichen Bewertung des Landgerichts, wonach sich der Angeklagte wegen Vortäuschens einer Straftat nach § 145d Abs. 1 Nr. 1 StGB strafbar gemacht hat, nicht folgen. Rechtsfehlerfrei hat das Landgericht festgestellt, dass der von dem Angeklagten am 17.12.2015 angezeigte Diebstahl seines Handys weder zum angegebenen Zeitpunkt noch am angegebenen Ort noch überhaupt stattgefunden hatte. Es hat aber zugleich festgestellt, dass der Angeklagte das Handy am 13.11.2015 in dem Stripclub „Gents” in Würzburg liegen gelassen hat, wo es von der gesondert Verfolgten aufgefunden, unberechtigt an sich genommen und in der Folgezeit benutzt wurde. Das in Verlust geratene Handy des Angeklagten war damit zwar nicht Gegenstand des angezeigten Diebstahls (§ 242 StGB), wohl aber einer drei Wochen zuvor erfolgten Fundunterschlagung (§ 246 StGB) einer zunächst unbekannten dritten Person. Zweifelsohne hat der Angeklagte damit einen nach Tatzeit, Tatort und Begehungsweise völlig anderen historischen Sachverhalt vorgetäuscht als tatsächlich
geschehen, allerdings fehlt es an dem von der Rechtsprechung geforderten gravierenden Ungleichgewicht der beiden Taten, die sich immerhin auf dasselbe abhanden gekommene Tatobjekt beziehen und auch von ihrem Unrechtsgehalt nicht völlig unterschiedlich zu bewerten sind. Die inmitten stehenden Tatbestände sind nahe miteinander verwandt, das geschützte Rechtsgut ist dasselbe und der Täterwille ist durch eine gleich geartete, eigene Sachherrschaft erstrebende
Missachtung fremden Eigentums gekennzeichnet (BGHSt 16,184 -187).
Entscheidend kommt hinzu, dass sich weder aus den Angaben des ermittelnden Polizeibeamten noch aus den übrigen Feststellungen des angefochtenen Urteils ergibt noch sonst ersichtlich ist, dass die Ermittlungsbehörden vorliegend in erheblichem Maße wegen der vorgetäuschten Sachdarstellung zu unnötigen und aufwändigen (Mehr-) Ermittlungen veranlasst wurden. Insoweit hat der ermittelnde Polizeibeamte zwar angegeben, dass er zunächst lediglich eine Verlustanzeige aufgenommen hätte, wenn der Angeklagte ihm mitgeteilt hätte, dass er nicht ausschließen könne, dass er das Handy verloren habe, allerdings hätte er auch in diesem Fall – wie geschehen – über Google nach dem Handy ermittelt. Hätte der Angeklagte indes gegenüber dem Polizeibeamten die von ihm im Rahmen seiner Einlassung vor dem Landgericht geschilderten Bemühungen um die
Wiedererlangung seines Handys in dem Stripclub „Gents” in Würzburg sowie seine hieraus gezogene Schlussfolgerung einer mutmaßlichen Unterschlagung bzw. eines Diebstahls des Handys geschildert, so wäre der Polizeibeamte ohnehin gehalten gewesen, eine Anzeige wegen des Verdachts der Unterschlagung bzw. des Diebstahls aufzunehmen, die damit im Wesentlichen denselben Ermittlungsaufwand ausgelöst hätte wie die wahrheitswidrige Anzeige des Angeklagten, zumal nicht ersichtlich ist, dass insoweit für die Ermittlung des unbekannten Täters der angegebene Tatort bzw. die angegebene Tatzeit von entscheidender Bedeutung waren.
Zwar hat das Landgericht letztlich offen gelassen, ob es den Angaben des Angeklagten zu seinen Bemühungen um Wiedererlangung des abhanden gekommenen Handys Glauben schenkt. Darauf kommt es aber letztendlich nicht an. Denn selbst wenn der Angeklagte davon ausgegangen sein sollte, dass dem Abhandenkommen des Handys keine Straftat zugrunde liegt, so begründet die Erstattung der – bewusst falsche Angaben enthaltenden – Strafanzeige vom 17.12.2015 gleichwohl nicht seine Strafbarkeit. Ist nämlich die rechtswidrige Tat wie hier die Fundunterschlagung tatsächlich begangen worden, ohne dass der Täter dies gewusst oder geglaubt hat, so liegt nur ein (strafloser) untauglicher Versuch vor (NK-Kretschmer StGB 5. Aufl. § 145d Rn. 18 unter Hinweis auf LK-Ruß a.a.O. Rn. 22).